EU-ChatkontrolleGesellschaft für Informatik gegen Überwachung digitaler Kommunikation

Mehr Gegenwind für die „Chatkontrolle“ der EU-Kommission. Die Gesellschaft für Informatik sieht darin einen Verstoß gegen die Grundrechte der EU-Bürger:innen.

Foto mit Text "Who ist watching?"
Wer schaut auf unsere Endgeräte? (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Claudio Schwarz

Die Gesellschaft für Informatik (GI) stellt sich gegen die geplante Überwachungsmaßnahme der „Chatkontrolle“ in der Europäischen Union. Der Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der GI lehne das Vorhaben der EU-Kommission, Anbieter zur anlasslosen Überwachung aller Kommunikationsinhalte unbefristet zu verpflichten, entschieden ab, heißt es in einer Pressemitteilung.

Die Idee der EU-Kommission verstoße gegen die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, die in der Europäischen Grundrechte-Charta garantiert werden: insbesondere Artikel 7 (Achtung des Privat- und Familienlebens), Artikel 8 (Schutz personenbezogener Daten) und Artikel 11 (Meinungsäußerungsfreiheit und Informationsfreiheit) garantieren grundsätzlich vertrauliche Kommunikation.

Die GI kritisiert auch, dass eine derartige Überwachung auch die Kommunikation von Unternehmen und Behörden offenlege, ebenso von Medienschaffenden und ihren Informant:innen. Hartmut Pohl, Sprecher des Präsidiumsarbeitskreises sagt: „Vollständige anlasslose Überwachung der digitalen Kommunikation ist der falsche Weg, schwere Kriminalität zu erkennen und bekämpfen.“

Wenn die EU-Kommission zur Durchsetzung ihres Vorhabens auf eingebaute Hintertüren verzichten wolle, gäbe es als Variante nur Client-Side-Scanning. Auch dies verstoße gegen die europäischen Grundrechte.

Gefährliche Idee der EU-Kommission

Die EU-Kommission arbeitet an einem Gesetzespaket zur Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch, das sie bald vorstellen will. Ein Teil des geplanten Gesetzes behandelt die Verbreitung von Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet. Ins Visier soll das Gesetz auch private und verschlüsselte Kommunikation nehmen, etwa über Messenger-Apps. Kritiker:innen bezeichnen diese Form der präventiven Massenüberwachung als Gefahr für Privatsphäre, IT-Sicherheit, Meinungsfreiheit und Demokratie.

Ursprünglich war die Vorstellung des brisanten Gesetzentwurfs für den 1. Dezember angesetzt, inzwischen ist der Punkt jedoch aus dem Kalender der Kommission verschwunden. Auf Anfrage bestätigt eine Sprecherin lediglich, dass die Kommission an dem Vorschlag arbeite. Ein konkretes Datum könne sie im Moment aber nicht nennen.

3 Ergänzungen

  1. Ein Kollege hat mich auf einen sehr perfiden Seitenaspekt hingewiesen: Kommunikation besteht aus Senden und Empfangen. Wenn das Senden gar nicht mehr stattfindet, weil es unterbunden wird – vor dem Senden – könnte irgendeine Winkeladvokatin sich einspreizen mit: Wir stören hier gar nicht die Kommunikation; überwacht wir dhier gar nichts.

  2. Habe eben mehrere Mails an die relevanten EU-Leute verschickt. Als Adressen habe ich die von Ihnen, Herr Reuter, genannten genutzt.
    Sehr geehrte Frau/Herr …………,
    Ihre geplanten Gesetzesvorhaben zur Kontrolle von privater Kommunikation sind ebenso abscheulich wie das, was kontrolliert werden soll: Niemand von uns „privaten Bürgern“ kann dulden, was Kindern missbräuchlich angetan wird. Aber ebenso kann niemand dulden, dass die Freiheitsrechte gesetzestreuer Bürger angetastet werden. Und dafür öffnen Sie mit Ihren Gesetzesvorhaben Tür und Tor. Setzen Sie lieber auf Prävention, d.h. auf verpflichtende Aufklärung von Eltern und Kindern, und auf Bestrafung der Online-Plattformen, die die Verbreitung solcher Inhalte zulassen. Dort sind Strafen und Überwachungsmaßnahmen angebracht, nicht in meiner privaten Kommunikation. Ich bin empört, zu welchen Maßnahmen Sie greifen wollen, vor allem deshalb, weil diese Maßnahmen völlig ungeeignet sind.
    Überlegen Sie gut!
    (Grußformel und Name)

  3. In Artikeln wie diesen fallen die Autoren fast immer und auch hier auf die Propaganda der Kontroll-Befürworter herein:
    Es wird damit argumentiert, dass man Kindesmissbrauch verhindern möchte. Was man mit der Chatkontrolle aber in dieser Hinsicht nur erreicht, ist dass man Personen findet, die entsprechende Bilder tauschen, nicht diejenigen, die für einen Kindesmissbrauch verantwortlich sind.
    Noch dazu wurde die Strafbarkeit ja sogar auf Nacktfotos von Kindern am Strand ausgeweitet. Somit macht sich auch ein Familienvater strafbar, der Urlaubsfotos in eine Cloud hochlädt.
    Selbst wenn es sich nicht um die Eltern der Kindern handelt, wäre das Tauschen von solchen Bildern auf Grundrechtsebene aber höchstens ein Verstoß gegen das eigene Recht am Bild.
    Nur durch eine restriktive Gesetzgebung wird das zur Straftat.
    Somit wird auf Grundrechtsebene ein milliardenfacher Grundrechtsbruch gegen viele Artikel eingeführt, nur um einzelne Brüche gegen die genannten Artikel 7 und 8 aufzudecken.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.